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Das Smartphone ist immer und überall. Es ist das "Schweizer Messer" der digitalen Welt geworden. Und was für eins! Schier unersättlich saugt es alle analogen Werkzeuge, alle analogen Gegenstände und analoge Gewohnheiten der Menschen auf und bindet sie auf ca. 6 Zoll Diagonale.
Listen wir ein paar Dinge auf: Die Tageszeitung am Morgen? Weg, rein in das Smartphone. Eine TV-Wochenzeitschrift? Weg. Tagebuch? Dann aber auf dem Smartphone. So geht es wohl allen papierenden Dinosauriern. Eine Wasserwaage? Weg, auch das schafft das Smartphone. Jüngst, mit AR-Kit, sollen auch der Zollstock oder andere analoge Messgeräte verschwinden. Apropos analoge Messgeräte: ein Barometer? Weg, es gehört zu den Grundausstattungen der besseren Geräte. (Apropos Grundausstattungen: Die App Phyphox der RWTH Aachen zeigt dadurch, dass sie alle Gerätesensoren des Über-Gerätes Smartphone ausliest, was so alles "an Board" ist: Wir messen Beschleunigung, Licht, Magnetfeld, Standort, Audio und anderes mehr; im Ansatz werden die Daten so für eine Didaktik (der Physik) geöffnet.
Das Meta-Gerät hat alle Spezialgeräte um Audio und Video zuerst kannibalisiert und dann abgeschafft: Zuallererst den Fotoapparat und die Videokamera, aber auch den Kassettenrecorder, die Videoabspielgeräte (CD, DVD etc.), das Diktiergerät u.a.m. Wer misst noch die Außentemperatur analog? Das Smartphone brachte uns die Alternative zwischen digitaler Eigenmessung (Außen und Innen) und standortbasierter Wettervorhersagen. Wer kennt noch die analoge Sanduhr aus dem Badezimmer? Sie sollte die Mindestputzzeit für die Zahnreinigung anzeigen. Weg. Bluetooth basierte Zahnbürsten zeigen Zeit und Erfolg der Putzanstrengungen digital - auf dem Smartphone an.
Die Jugendlichen von heute finden serielles Fernsehen in etwa so spannend, wie die Baby-Boomer Telefonzellen. Ja, ja genau: Dass Telefonzellen im Zeitalter digitaler Endgeräte keinen Sinn mehr machen, dass haben die Baby-Boomer verstanden. Dass serielles Fernsehen für die Millennials die Telefonzelle der Baby-Boomer ist, haben Letztere (noch) nicht verstanden. Sie haben auch nicht verstanden, dass die Omnipräsenz des Gerätes daher rührt, dass es alle anderen Geräte und Tätigkeiten verdrängt hat. Daher rührt der Impuls der Baby-Boomer: Sie feiern (manchmal "klammheimlich") Zonen der Smartphone-Abstinenz.
Während die Erwachsenen mit dem Smartphone aufstehen, mit ihm zur Arbeit und später zu Bett gehen, ihre Sehnsüchte und Süchte, die sie mit dem Gerät teilen, befriedigen und befeuern und manchmal hinterfragen, wünschen sie sich eine Zeit ohne. Und dann beobachten sie ihre Kinder und Heranwachsenden und denken: "Es gibt ja einen Ort jenseits der Digitalisierung: die Schule!" Wie schön wäre es doch, wenn sie doch so bliebe, wie wir sie kennengelernt haben: mit schrulligen Lehrerinnen und Lehrer, die kaum eine VHS-Cassette zum Abspielen nötigen konnten, die regelmäßig am OHP versagten (auch weil wir die Halogenlampen entfernten) und die mit Kreide auf Tafeln schrieben (wie Höhlenmenschen). Schulen zu "Smartphone-freien- Zonen" zu erklären, ist eine astreine Projektion der Erwachsenenwelt:
"Projektion bezeichnet in der Psychologie allgemein − und von Schulen unabhängig − einen Abwehrmechanismus. Der Begriff Projektion umfasst das Übertragen und Verlagern eines innerpsychischen Konfliktes durch die Abbildung eigener Emotionen, Affekte, Wünsche und Impulse, die im Widerspruch zu eigenen und/oder gesellschaftlichen Normen stehen können, auf andere Personen, Menschengruppen, Lebewesen oder Objekte der Außenwelt." https://de.wikipedia.org/wiki/Projektion_(Psychologie)
Eine Projektion, wie sie im Lehrbuch steht, könnte man sagen, wenn das Lehrbuch nicht längst durch digitale Neopraktiken, wie etwa Wikis, ersetzt worden wäre. Vielleicht bringt es uns einen kleinen Schritt weiter, wenn wir die Liste all jener Gegenstände und Tätigkeiten, die entweder das Smartphone ersetzt hat oder die in das Smartphone hinein gewandert sind, gemeinsam fortführen. Daher bitte ich in den Kommentaren oder auf Twitter, die oben gestartete Liste zu ergänzen.
Vielen Dank!
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