· 

The Terminator (1995) - Teil 4

Monologe und Dialoge: Der gute Terminator und John Connor führen im zweiten Film Dialoge, die zentrale Botschaften an das Publikum enthalten. Sie sind objektiv reaktionär und entfalten ihre Wirkung dadurch, dass sie die wenigen langsam-entspannenden Passagen des Films ausmachen, in denen sich die Zuschauer und Zuschauerinnen von der Trick- und Pyrotechnik erholen.

 

Sie werden hier zitiert, weil sie in ihrer Prägnanz geradezu genial als Versatzstücke kohärent in das Alltagsbewußtsein übernommen werden können. Ein Dialog gerät zur ideologietransportierenden Schlüsselszene: Auf der Flucht aus L.A. gibt es einen Stop an einer Tankstelle. Während John und der Terminator vor dem Motorraum ihres Fahrzeugs stehen, rennen Kinder mit Spielzeugpistolen um sie herum bestehen darauf, sich gegenseitig getötet zu haben. Eine Quasi-Peckingpha'sche Zeitlupe erhöht die Brutalität der Szene. John schaut zu, fragt dann den Terminator: "Wir haben keine Chance, nicht wahr, wir Menschen meine ich?", und der Terminator antwortet mechanisch-philosophisch:"Es liegt in eurer Natur, euch selbst zu zerstören". Basta! Keine Rede mehr von der Bedrohung durch die Maschinen. Und doch ist gleichzeitig in der Szene die Erkenntnis angelegt, daß die Maschinen und somit überhaupt die scheinbar unentrinnbare 'zweite Natur', die Kultur, Menschenwerk sind. Reaktion und Erkenntnis liegen wieder so dicht beisammen, wie nur Wahnsinn und Genie beisammen sein können. Sloterdijk griff begierig die Botschaft dieser Szene auf (ohne eigentlich auf sie einzugehen) und unterstrich sie noch einmal, indem auch er über die 'ominöse Grausamkeit von Kindern' spekulierte.

 

Durch die Off-Stimme Sarahs erfahren die Zuschauerinnen und Zuschauer, daß viele mögliche Väter für John gekommen und gegangen seien, der Terminator aber endlich den perfekten Vater abgebe: 'In einer wahnsinnig gewordenen Welt, war er die vernünftigste Alternative', sagt sie. Grandios das Ende: Sarahs Off-Stimme fragt rhetorisch, ob nicht auch wir, da es der re-programmierte Terminator konnte, den Wert des Lebens schätzen lernen könnten. Die Menschen schaffen sich ihre 'zweite Natur', gehorchen deren Spielregeln, werden von ihr beinahe umgebracht, erahnen ihr Ausgeliefertsein als notwendige Vor-Kenntnis der Veränderung, um sich abschließend ihr gänzlich wieder auszuliefern. 'Kafka war doch Realist', soll auch Lukács einmal gesagt haben.

 

Rein ästhetisch sei Faschismus aus der populären Alltagskultur, nach Seeßlen nicht zu dechiffrieren, aber es gebe eine strukturelle Verwandtschaft. Im Kurzschluß mit Verbot und Selbstverbot sich der populären Kultur zu verweigern, zeigt in die falsche Richtung. Jenseits reiner Affirmation ist Kritik möglich; schließlich verrät die populäre Kultur bei genauer Analyse den Stand kapitalistischer Vergesellschaftung. 

 

 -Ende -

 

Literatur:

P. Sloterdijk (1993): Sendboten der Gewalt, in ders.: Medien-Zeit. Drei gegenwartsdiagnostische Versuche, Stuttgart.

G. Seeßlen (1994): Tanz den Adolf Hitler. Faschismus in der populären Kultur, Berlin.

 

Kommentar:

Viele Zusammenhänge habe ich 1995 nicht geglaubt, aber dennoch aufgeschrieben: Es liegt in eurer Natur euch selbst zu zerstören.


Ein Rückblick: 25 Jahre danach, ein Text ist ein Text ist ein ...

Es ist unglaublich aber wahr: Das Terminator-Frachising geht weiter. Die Logik der Geschichte ist längst ad absurdum geführt. So muss der jüngste Ableger selbstverständlich erneut an "Terminator 2 - Tag der Abrechnung" anschließen und die Handlungsstränge der Filme 3 bis 5 außer Acht lassen.

 

Die neuen Bilder zeigen einer gealterten Terminator T-800 ("Er hat sich angepasst"). J.W. würde sagen: "Hier sieht man den Nachteil lebendem Gewebes auf einem metallischen Endoskellet". In 2019 haben wir uns auf 10 Jahre an die Widerstandsgeschichte herangewagt. Nur noch 10 Jahre! In 10 Jahren also wird John Connor erstmals Kyle Reese durch die Zeit in die Vergangenheit schicken, damit seinen Zeugungsprozess initiieren und sich also als Widerstandskämpfer gegen die Maschinen "im Geiste" zeugen. Es ist nicht mehr und nicht weniger als der "heilige Geist", der die Jungfrau Sarah Connor schwängert, um zum Erlöser der Menschheit zu werden. Diese Sätze schreibe ich genau zwei Wochen bevor sich eine andere Geschichte, die mehr als man denkt, mit dieser Geschichte verwoben ist, zum 20. mal jährt: die Geschichte von N-E-O, dem Einen (O-N-E), dem Erlöser, der die versklavte Menschheit aus der vollendeten Gewalt der Maschinenherrschaft befreit. Die TERMINATOR-SAGA spielt - quasi historisch - vor diesem Zeitpunkt. Die Maschinen streben die Herrschaft an, sie töten die letzten Menschen, die Armaggeddon, den Atomkrieg überlegt haben, doch ihre Herrschaft ist noch nicht vollendet.


Ich komme nun auf des "Pudels Kern" der Geschichte und meinen "archimedischen Punkt" zurück. Die Maschinenherrschaft ist - kapitallogisch betrachtet - nichts anderes als ein reifer Kapitalismus, in dem die technische Zusammensetzung des Kapitals die Eliminierung der lebendigen Anteile vollendet hat. Maschinen = 100 Prozent : Menschen 0 Prozent. Die Maschinenherrschaft ist die Fiktion der sich selbst reproduzierenden und selbst programmierenden Maschinen. Aber die Fiktion steht vor unserer Haustür und klopft manchmal an. Wir alle arbeiten durch Produktion und Konsumtion daran mit. Jede Konversation mit Siri oder Alexa trägt zur Potenz der sich selbst reproduzierenden Maschinen bei. Die selbst lernenden Algorithmen steuern die Produktion und so weiter und so fort. Tatsächlich haben sich die Algorithmen bereits hypridisiert: "Der Algorithmus ist kein feststehendes Objekt mehr, kein unveränderliches Rezept, sondern wandelt sich mehr und mehr zu einem dynamischen Prozess, einer undurchsichtigen Wolke aus vielen interagierenden Algorithmen, die kontinuierlich verfeinert werden, Schätzungen zufolge rund 500-600 Mal pro Jahr", schreib Felix Stalder mit Bezug auf den Google-Suchalgorithmus in Kultur der Digitalität. 

 

Das ist mein archimedischer Punkt. Auch schon im Artikel EGO-Maschinen konnte man das nachlesen. Die Fragen nach dem selbstprozessierenden Substanz-Subjekt können ganz unterschiedlich beantwortet werden:

 

- (Mit Kurt Bayertz): Im automatischen Subjekt von Marx kommen durchaus seine Materie-Bestimmungen, als das Set aus Relationen der Produktionsverhältnisse, zum Ausdruck oder:

- Die entstofflichte MATERIE treibt als reiner Geist (Hegels Weltgeist?) den Vergesellschaftungs- und Verwertungsprozess aller Beteiligten voran; das entstoffliche Kapital, das von Algorithmen auf virtuellen Märkten um den Globus gejagt wird, definiert hier und jetzt (wirtschaftliches) Wachstum und dort und irgendwann (wirtschaftliche) Depression oder mit der Rechtsphilosophie Hegels:

- Da die Produktionsverhältnisse durch die Eigentumsverhältnisse definiert und determiniert werden, folgt das automatische Subjekt den Rechtsverhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft oder mit Marx in der kürzesten Version:

- "Die selbständigen Formen, die Geldformen, welche der Wert der Waren in der einfachen Zirkulation annimmt, vermitteln nur den Warenaustausch und verschwinden im Endresultat der Bewegung. In der Zirkulation G – W – G funktionieren dagegen beide, Ware und Geld, nur als verschiedne Existenzweisen des Werts selbst, das Geld seine allgemeine, die Ware seine besondre, sozusagen nur verkleidete Existenzweise. Er geht beständig aus der einen Form in die andre über, ohne sich in dieser Bewegung zu verlieren, und verwandelt sich so in ein automatisches Subjekt. Fixiert man die besondren Erscheinungsformen, welche der sich verwertenden Wert im Kreislauf seines Lebens abwechselnd annimmt, so erhält man die Erklärungen: Kapital ist Geld, Kapital ist Ware. In der Tat aber wird der Wert hier das Subjekt eines Prozesses, worin er unter dem beständigen Wechsel der Formen von Geld und Ware seine Größe selbst verändert, sich als Mehrwert von sich selbst als ursprünglichem Wert abstößt, sich selbst verwertet. Denn die Bewegung, worin er Mehrwert zusetzt, ist seine eigne Bewegung, seine Verwertung also Selbstverwertung. Er hat die okkulte Qualität erhalten, Wert zu setzen, weil er Wert ist. Er wirft lebendige Junge oder legt wenigstens goldne Eier" (zitiert nach Wikipedia, automatisches Subjekt).

 

 


Nun ja, das mit dem selbstprozessierenden Subjekt habe ich erst 2002/2003  mit der Bewertung der Matrix-Triologie beendet (dazu hier später mehr).

Anlässlich einer zweiten Veröffentlichung, 1997 oder 1998, habe ich ein neues Anfangskapitel für den Terminator Text verfasst, außerdem erhielt der gesamte Text nunmehr die Überschrift "Amerika und der Terminator: Das Leben mit der Bombe". Der Abdruck dieses Textes hier bringt meine Auseinandersetzung mit der Terminator-Saga (vorläufig?) zum Ende:

 



 

1 Die Bombe

Amerikas Mythen hatten sich seit jeher ohne das Medium Film entwickelt. Seit der Film jedoch - auch durch den 2. Weltkrieg bestimmt - endgültig seinen Kinderschuhen entwachsen ist, rekonfiguriert der Film die Mythen und treibt sie in ihrer Entwicklung immer weiter. Amerika, dem nach Hannah Arendt eine Revolution glückte, weil die soziale Frage nicht gestellt werden musste (man eroberte einfach immer neues Land), war sich seiner Sache bis zum Ende der 40er Jahre sehr sicher. Dann aber kehrte die von diesem Land ausgehende Vernichtungsdrohung durch die Bombe zurück; jetzt hatten auch die Sowjets eine Bombe. Die Filmindustrie reagierte mit einer rationalen Arbeitsteilung: Die großen finanzstarken Studios drehten breitwandformatig bunte Bilder, in denen die alten Mythen zu neuem verklärten Glanz aufstiegen; sie bebilderten die heroische Siedlungsmigration nach Westen. Der Raub und die Besitznahme fremden Landes wurde der Stoff der folgenden zwanzig Jahre (Keine Wunder also, dass auch Gene Roddenberry zunächst einen Western Trek produzieren wollte, bevor daraus einer der Sterne wurde). Die kleinen Studios, die unbekannten Produzenten drehten die B-Pictures. In ihnen wurde dem neuen Mythos gehuldigt: dem der ungerechten Rückkehr der Vernichtungsdrohung und der Reaktion des trotzigen Wir-überleben-auch-den-Atomangriff-weil-wir-die-Gerechten-sind.

 

Während ein Hollywood-Star nach dem anderen sich nun auch noch als Westernheld probieren musste, geriet ein Mann erst durch die Darstellung des Westernhelden zum Hollywood-Star: John Wayne. Was aber niemand wusste, war die Tatsache, dass in diesem Mann die alten und neuen Mythen zusammenlaufen sollten: Die Bombe war dem Westernheld näher, als es zunächst schien. Nicht dass John Wayne ein Kalter Krieger par exellence war, wurde für den Umstand bestimmend, sondern dass bei einem Dreh die atomar verseuchte Wüste in Nevada gewählt wurde. John Wayne ist lange nach seinem Tod heute nur deshalb noch ein Mythos, weil sein Leben als Westernheld mit dem Tod durch die "zurückgekehrte" Bombe zusammenfiel: Wayne starb an Krebs. Dieser stolze Zwei-Meter-Mann ist durch die Bombe getötet worden. Es konnte in den 80ern nur zwei geben, die ihn rächen konnten: Ronald Reagan und Arnold Schwarzenegger. Reagan kam selbst aus dem Schaustellergewerbe, Schwarzenegger (wechseln wir kurz auf die etwas entdifferenzierte amerikanische Lesart:) aus Europa, besser: Deutschland/Österreich, welches auch schon den Grund für das Manhatten-Projekt geliefert hatte. Die Bombe konnte so auf zweierlei Weise wieder beseitigt werden: In der Politik sollte die Sowjetunion zur Kapitulation tot gerüstet werden und - als das geschafft war - konnte im Film, also in Terminator 2. Tag der Abrechnung, der Versuch unternommen werden, die Vernichtung durch die „zurückkehrende“ Bombe ungeschehen zu machen.   

 

- Ende -