Mythologie und Utopie (Fortsetzung) Sarah Connors Motto "no fate" - scheinbar antimystisch und aufklärerisch besetzt, wird im Film re-mystifiziert. "No fate" gilt nur für den Anführer-Gott des Jahres 2029, der einen Engel in das Jahr 1984 zurücksenden kann, um sich selbst zeugen zu lassen, der als personalisierte Apotheose zur Selbstreproduktion fähig ist.
Subjektiv-idealistische Vorstellungen von Gott wurden erst in einer arbeitsteilig organisierten Gesellschaft möglich. Die Ideen der Menschen erschienen als zu eigenem Handeln befähigte Über-Subjekte auf der Weltbühne und den Menschen als ihnen äußerlich. Sie bestimmten von nun an ihr Handeln als Fremdzwänge. Nur für den zur Selbstzeugung fähigen Gott konnte "no fate" real wirken, nämlich als Ausdruck für ein Maximum an Möglichkeiten, sich selbstbestimmt zu vergesellschaften.
Alles, was ein normaler Mensch im Jahre 2029 selbstbestimmt tun kann - so die Restutopie - ist kämpfen [selbstverständlich kann man das dann Dystopie nennen]. Wahrlich no fate.
In Terminator 2 - Judgement Day jedoch ist Sarah Connors Kämpfen oft zum Scheitern verurteilt: sie scheitert vor verschlossenen Aufzügen und aufgrund eines Spielzeugautos verfehlt ihr Schuss Dyson, der mit der Cyberdyne Systems Corporation entscheidenden Anteil an Skynet und im Ergebnis an drei Milliarden Toten tragen wird. Ohne den "re-programmierten" und nunmehr 'guten' Terminator (der zum Polt-Point 1 zu Sarah den Satz gesagt hat: "Wenn du leben willst, komm mit mir!") vollbringt sie keine Beeinflussung der Geschichte. Denn für die Menschen 1984, 1990 oder 2029 gilt: Geschichte machen andere, die Maschinen. Das ist ein Ausdruck für die Niederlage menschlicher Gestaltungskompetenz gegenüber gesellschaftlicher Rationalität. In der Folge dieser Erkenntnis privatisiert sich jeglicher Widerstand und verbessert nur noch die anonymen Durchsetzungsbedingungen kapitalistischer Rationalität. Der private Raum erlebt gleichzeitig die Wiederkunft von besonders bunten Formen irrationaler Mythen.
Auch schon im Filmgenre des Western erschien der Revolverheld als derjenige, der über das größte Maß an Selbstvergesellschaftungskompetenz verfügte, bis er erschossen, gehängt oder gefangen wurde. In ihm kristallisierte sich derjenige rechtsfreie Raum, den es zu nutzen galt, um Kapital in Form von noch zu erobernden Ländereien zu akkumulieren. Der Revolverheld benahm sich wie das Kapital, und umgekehrt. So schuf auch der sich dem Anschein nach den Regeln der Gesellschaft entziehende Held nur jenen Vergesellschaftungsrahmen, dem er sich später zu unterwerfen hatte. Auf seine Taten folgten die Sheriffs, auf die Taten der Einzelkapitale die Systemrationalität.
In Terminator 2 handelt das künstliche Bewusstsein (der Zukunft) analog dem Mythos der Erstgeborenentötung. Der Erstgeborene ist hier allerdings schon ins präpubertäre Stadium gelangt, hat sich im rauen Klima der Reagonomics prima entwickelt und verfügt über das nötige Computerwissen, um an die noch nötigeren Dollars heranzukommen, mit denen er vorzugsweise in der Spielhalle für den späteren Kampf gegen die Maschinen übt (Er weiß es nicht, aber er tut es). Er selbst wird in der Zukunft den Terminator re-programmiert haben, um sich in der Gegenwart von 1990 vor der neuen, ihm bekannten Bedrohung seiner Existenz schützen zu lassen.
Die filmische Utopie ist also zu einer reinen Daseinsbehauptungs-Dystopie umgeschlagen, aber das Leben in ihr ist geprägt vom Kampf. Wer im Kampf gegen die Maschinen fällt, stirbt mit der Waffe in der Hand und dem Guten auf seiner Seite - egal ob in Bosnien, Somalia oder sonst wo auf der Welt, so sieht es die us-amerikanische Filmwirklichkeit [Anmerkungen I aus der Zukunft: Markus Gabriel hat uns 2012 in 'Warum es die Welt nicht gibt' gelehrt, dass die us-amerikanische Mediendominanz als Weltbild-Kontrolle die Vormacht der USA stärker als die ökonomische Vorrangstellung bestimmte. Mit Bezug auf Diedrich Diedrichsen führte er uns zum Kern der Funktion der Untergangsszenarien: Sie binden das Publikum als "Angstgesellschaft" zusammen und treiben sie voran - allein! - zum Weitermachen (wie bisher), M.S.].
Es ist genau dieser ungemein realistisch wirkende Utopieentwurf der TERMINATOR-Saga, dass das Alltagsbewusstsein der Metropolenbewohner*innen diese Botschaft begeistert aufnahm. Nach der Systemauseinandersetzung schien die alte Frage 'Sozialismus oder Bandenkriegerei (Barbarei)?' klar in eine Richtung beantwortet. Diese erbärmliche Utopie scheint Ausdruck davon, dass den Subjekten dieser Gesellschaft die Möglichkeit entschwand, noch zu denken, dass es auch anders sein könnte. Der zu Recht gescheiterte erste Versuch von sozialistischen Gesellschaften in Form des Industrialismus beendete seltsamerweise in der westlichen Hemisphäre das utopische Potential [Anmerkung II aus der Zukunft (2019): Ich habe 1995 noch nicht geahnt, dass heranwachsende Männer wenige Jahre später und dann anhaltend mit 3D-VR-"Echtzeit-Shootern" mit dieser Utopie des puren Kampfes einen Großteil ihrer Lebenszeit verbringen würden: Kämpfen, Schießen, Überleben! Heute ahne ich warum: Mit der Hand in der Waffe und etlichen Leichenbergen später, durchflutet von purem Adrenalin spüren unsere Heranwachsenden eine Selbstwirksamkeit wie beinahe nirgends anders in unseren Gesellschaften. Zugleich verwirklicht sich erst mit Netflix und Co. die tatsächliche Weltbildkontrolle der us-amerikanischen Kulturindustrie. Ich vermute, dass die Jugend vielleicht als Feuerwehrmann oder als Rettungssanitäter*in, also nur als Lebensretter, ähnliche Selbstwirksamkeit spüren kann].
Fetsichcharakter
Im Film spiegelt sich nur konsequent die ideologische Basis des aktuellen Kapitalismus und der bürgerlichen Gesellschaft, weil in ihm die mittelalterlich-vulgären, subjektiv idealistischen Mythen und sonstiger Aberglauben durch diejenigen der warenproduzierenden Gesellschaft ersetzt sind. Statt durch Gott lässt sich diese Gesellschaft nun von den Waren und dem Markt lenken. In der TERMINATOR-Saga erscheinen die einstmals als Waren produzierten Maschinen mit ihrem künstlichen Bewusstsein als die neuen handelnden Akteure. Ganz wie im 'richtigen Kapitalismus' geben die einstmals produzierten, jetzt zu scheinbarem (oder tatsächlichem?) Bewusstsein gekommenen Waren, den vergesellschafteten Sekundärakteur*innen (also den Menschen) den Takt des Lebensrhythmus vor.
Die Waren, die nur aufgrund ihrer zweiten Eigenschaft produziert werden, nämlich Träger von Wert zu sein, scheinen dann ein eigenes Wesen zu bekommen, wenn die Produktion einem Prinzip folgt, welches gegenüber den Bedürfnissen der Menschen blind ist. Eine Gesellschaft, die (systemimmanent auch notwendig) nach dem Prinzip der Tauschwertrealisierung und -maximierung arbeitet, wird fremdvergesellschaftet, weil sie sich einem abstrakten Prinzip unterwirft, das, obwohl gesellschaftlich gemacht, plötzlich natürlich-notwendig, weil in der Natur der Sache(n) liegend, als 'zweite Natur' erscheint.
Die TERMINATOR-Saga löst sich letztlich als großartige Special-Effect-Verkleidung des Fetischcharakters der Ware auf. Dazu der Entdecker selbst: 'Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, dass sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen [...]. Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt. Um daher eine Analogie zu finden, müssen wir in die Nebelregion der religiösen Welt flüchten. Hier schienen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eigenem Leben begabte, untereinander und mit Menschen in Verhältnis stehende selbstständige Gestalten. So in der Warenwelt die Produkte der menschlichen Hand'.
Trotz Aufklärung, Soziologie und komplizierter Produktivkraftentfaltung drängen immer wieder Philosophen und unbedarftere Menschen in das Vor-Bekannte zurück. Sloterdijk zum Beispiel glaubt nicht, dass die Menschen zum Menschen wurden, weil sie - um im obigen Sprachgebrauch zu bleiben - Produkte mit der menschlichen Hand herzustellen lernten (seien sie anfangs auch noch so primitiv gewesen), sondern weil sie Verfolgungen überstanden, weil sie schneller als das Raubtier liefen, weil sie erfolgreich (zurück-)werfen konnten. 'Laufen' und 'werfen' verbinden sich bei ihm zur 'Verfolgung', damit ist er beim Essential des Action-Kinos und verlegt es gleich in die Frühgeschichte der Menschheit: 'Der moderne action-Film ist eine Gattung experimenteller Vor- und Frühgeschichtsschreibung, die mit den Mitteln avancierter Film-Technik die archäologischen Geheimnisse der Menschheit bearbeitet'.
Und wie auch die konservativen Eliten Angst vor dem Feminismus haben, führen die freien Assoziationsversuche Sloterdijk ebenfalls dorthin: Der Film kreiere in Sarah Connor ein 'protestantisches Madonnenbild', 'Sein und Sinn haben ihren Schnittpunkt im Uterus der amerikanischen Neuen Frau', so dass sich 'in diesem Feminismus [...] Bauch und Geist zusammengetan' hätten. Daher sei TERMINATOR 2 'zu lesen als symptomatische Nachricht über Prozesse im Imaginären des perfektesten Matriarchats der Welt, der Vereinigten Futter-und-Mutter-Staaten von Amerika'*. Mahlzeit!
Zur Dechiffrierung des Standes feministischer Herrschaft in den USA eignet sich der Film definitiv nicht. Er kann aber dazu dienen, neben dem Blick auf den Fetischcharakter der Ware auch den Blick auf den erreichten Stand der 'Warenästhethik' frei zu geben.
... to be continued.
*vgl. Peter Sloterdijk: Sendboten der Gewalt, in: ders.: Medien-Zeit. Drei gegenwartsdiagnostische Versuche, Stuttgart 1993, S. 19.