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Unterrichtsvorhaben planen mit den 17 Zielen der UN für nachhaltige Entwicklung in allen Fächern der gymn. Oberstufe, hier: Philosophieren mit Instagram & Co.

 

Kennen Sie das auch? Kaum spricht man von neuen, innovativen Inhalten / Methoden / Medien (in allen Fächern), schon hört man es im Chor: "Die Lehrpläne sind schon voll! Wann soll ich das noch alles unterrichten?" - Tatsache ist, dass die seit 2014 geltenden Kernlehrpläne in der gymnasialen Oberstufe NRW noch nicht das Potential, das auch in ihnen steckt, entfaltet haben. Das hat viele unterschiedliche Gründe: das Fehlen einer nachhaltigen Begleitung / Coaching der Fachgruppen beim Entwickeln und Implementieren von schulinternen Lehrplänen, auch fehlt den Kollegien und Fachgruppen Zeit, um zeitgemäße Unterrichtsformate zu planen und schließlich ist das Phänomen des Beharrens auf dem, "was man schon immer so gemacht hat" nicht zu unterschätzen. - Es geht aber auch anders: Dabei muss man nur drei Prinzipien folgen: Loslassen (können), Integrieren (von Anfang an) und Experimentieren (Trial-and-Error, also Fehler zulassen (können)).

 

Die 17 Entwicklungsziele der UN.

 

 

1. Was bisher geschah

 

"Der vorliegende Ausbildungsplan [von Philosoph:innen in der zweiten Phase der Lehrerausbildung in Hagen, M.S.] steht auch im Einklang mit dem Startschuss für das UNESCO-Weltaktionsprogramm 'Bildung für nachhaltige Entwicklung' am 29. September 2015 nach dem New Yorker Nachhaltigkeitsgipfel, bei dem die Nachhaltigkeitsziele verabschiedet wurden, und dem Aufruf der UNESCO zum Welttag der Philosophie bereits in 2008: 'Deshalb ruft die  die  Philosophie auf,  sich noch  stärker  mit  aktuellen  globalen  Fragen  zu  beschäftigen  und  dazu  beizutragen,  diese  Probleme  im  Hinblick  auf  Menschenwürde  und –rechte, Gerechtigkeit, Demokratie, Freiheit und Nachhaltigkeit lösen zu helfen'. Der Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK) Christoph Wulf führt in: Nida-Rümelin/Spiegel/Tiedemann (Hg): Handbuch Philosophie und Ethik, Band 1: Didaktik und Methodik auf S. 37 aus: 'Seit den Anfängen der UNESCO nach dem Zweiten Weltkrieg spielt die Philosophie in dieser internationalen Institution eine zentrale  Rolle  (Huxley1947).  Man  geht  nicht  zu  weit,  wenn man  die  Gründung  der  UNESCO als  eine  Antwort  der  Staatengemeinschaft  auf  die  in  anthropologischer  und  philosophischer  Hinsicht  grundlegende  Frage  versteht:  Ist  es  und  wie  ist  es möglich, eine Kultur des Friedens weltweit zu entwickeln?' In Verbindung mit der Frage: 'Wie kann es der Weltgesellschaft gelingen, trotz aller Differenzen zu verbindlichen Vorstellungen darüber zu gelangen, wie die Zukunft zu gestalten ist und welche gemeinsamen Handlungen dazu erforderlich sind', [...] weist Wulf  der Philosophie als Aufgabe zu: 'Philosophie muss sich den großen Problemen menschlichen Lebens und Zusammenlebens in der Welt stellen und sich im Dialog kritisch und produktiv mit ihnen auseinandersetzen.'"

 

(Der auf diese Weise zusammengestellte Text ist dem Seminarprogramm/Ausbildungsprogramm Philosophie am ZfsL Hagen entnommen und von Klaudius Gansczyk zusammengestellt, die Hervorhebungen und die Auslassung sind von mir).

 

 

2. Der Anspruch

 

Ich will hier versuchen, den oben formulierten Anspruch an die Ausbildung von Lehrer:innen zunächst mit möglichen Inhalten des Philosophieunterricht zu veranschaulichen (Wie genau der Grundsatz in die Ausbildung integriert wird folgt später). Die Philosophie darf offensichtlich - folgt man dem Ansatz von Gansczyk/Wulf - für sich in Anspruch nehmen, Entwicklungen vor-zu-denken, vorzugreifen und Konsequenzen über Gedankenexperimente vorzuführen. Ziel sollte es sein, ausgehend von einem, alle anderen Fächer integrierenden Fach, dem Philosophieunterricht, beispielgebend in alle anderen Fachbereiche - und in jedes Unterrichtsvorhaben - die Entwicklungsziele für eine nachhaltige Entwicklung zu integrieren, damit die Schüler:innen der Gegenwart frühzeitig problemlösend denkend und handelnd auf die  Entwicklungsziele orientiert werden, da das Fehlen dieser Orientierung den Fortbestand der Menschheit insgesamt gefährdet. Aber wie kommen Schüler:innen zu dem Wissen, was genau "die großen Probleme der Menschheit sind"? Der erste Teil der Antwort lautet, wir sollten das Problembewusstsein der Schüler:innen nicht unterschätzen, der zweite Teil heißt: Wir organisieren in jedem unterrichtlichen Planungsprozess das gemeinsame Überlegen, welche Entwicklungsziele integriert werden können oder integriert werden sollten. P.S. Der "Fach"-Ansatz und der gewünschte "Übertrag" in andere Fachgruppe und Fächer scheint mir ein pragmatischer Ansatz zu sein. Darauf zu warten, dass neue Fächer, zusammengefasste Fächer, dem GL-Unterricht in NRW nicht unähnlich, zustande kommen, dass fachübergreifend oder fächerverbindend gearbeitet wird, dass zu Projektunterricht im Allgemeinen übergangen wird, auf das alles darf nicht gewartet werden werden. Pragmatisch sein heißt, (allerspätestens) jetzt zu beginnen.

 

 

3. Die Planung

 

Ein Unterrichtsvorhaben zum Thema Mensch-Tier-Philosophie will - zusammen mit den Schüler:innen - genau geplant sein. Schon in der Planungsdoppelstunde sind den Schüler:innen die Entwicklungsziele (noch einmal - und immer wieder) prägnant vor Augen. Die Schüler:innen erfassen schnell, dass Ideen, die die Gleichheit von Mensch und Tier (z.B. der Mensch als der "3. Schimpanse", die Gemeinschaft der leidensfähigen Tiere oder über Menschen- und Tierrechte) direkte Bezüge zu vielen Entwicklungszielen eröffnen, so dass im Planungsprozess mit Hypothesen der Gleichheit (wie auch der Ungleichheit) direkte Zugänge zu den folgenden UN-Zielen eröffneten (vgl. auch Lernkompass der OECD):

  • kein Hunger (2) und nachhaltiger Konsum und Produktion (12),

sowie indirekt zu :

  • keine Armut (1), Gesundheit und Wohlergehen (3), sauberes Wasser (und Sanitäreinrichtungen) (6), Maßnahmen zum Klimaschutz (13), Leben unter Wasser (14) und Leben an Land (15).

Auch wenn eine konzentrierte Textlektüre in das Unterrichtsvorhaben integriert wurde, standen Gedankenexperimente (Form und Inhalt) in methodischer Hinsicht im Mittelpunkt. Schüler:innen interessierten sich in diesem Zusammenhang für eine Welt jenseits der Massentierhaltung, jenseits von Tieren in nicht-artgerechten Gehegen und jenseits von Tierexperimenten. Die unten aufgeführten Ergebnisse beziehen sich a) auf die Kritik an der Zoo-Haltung von Tieren, das mit einem provokanten Twitter-Konto gestartet ist, und b) auf Welt jenseits der Tierhaltung und -schlachtung in einer Instagram-Story, die sich an das öffentlich-rechtliche Funk-swr-Projekt "ichbinsophiescholl" auf Instagram angelehnt hat, also in einer Art Tagebuch geführt wurde. Beide Modelle sind geeignet, den Klassenraum als sehr begrenzten Lernraum zu überschreiten und themenspezifisch mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, so wie es auch Schütz (2016) einforderte. Bei der Präsentation wurde schließlich darüber nachgedacht, ob die Konten - und ihre je spezifischen Formate -  nach  Abschluss des Unterrichtsvorhabens als Kursplattform fortgeführt werden könnten (Neben diesen zwei Projekten wurden auch PowerPoints und mysimpleshow eingesetzt).

 

 

4.1 Die Insta-Story

 

Die Schülerin hat hier das Gedankenexperiment als Profil hinterlegt und anschließend begonnen, ihre spezielle, ausgedachte Familiengeschichte mit Reflexionen auf das Tagesgeschehen und den Übergang zu einer veganen Lebensweise tagebuchartig darzustellen. Interessant ist u.a. der optimistische, an persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen orientierte Zugriff auf das Thema, das gerade an dieser Schnittstelle die Verbundenheit mit dem Funk-Projekt aufzeigt: Gesellschaftlicher Wandel, politischer Widerstand, philosophisch "mit sich selbst einstimmig denken" ist möglich.

 

 

Vielen Dank an Jing.

 

4.2. Ein Twitter-Experiment

 

Mit diesem Ansatz verfolgten die Schülerinnen das Ziel mit einem provokativen Account beim Micro-Blogging Dienst und sozialen Netzwerk Twitter Aufmerksamkeit und Interaktion herzustellen. Der Account trug daher kompromisslos den Namen "Tiere raus aus den Zoos!". Es wurde getwittert und retweetet und nach und nach einige Reaktionen/Antworten eingesammelt (Diese Bezüge  sind nicht in den Screenshots enthalten). Als Ergebnis hielten die Schüler:innen u.a. fest, dass sie auf diese Weise eher Gleichgesinnte angesprochen haben und eher unterstützt als "angegriffen" wurden (Ein wichtiges sekundäres Lernziel bezüglich Echokammern- oder Filterblasen-Effekte).

 

 

Vielen Dank an Linnea und Vanessa.

 

5. Literatur:

 

Klaudius Gansczyk (o.J., für das ZfsL Hagen): Ausbildungsplan Philosophie/Praktische Philosophie, in: https://docplayer.org/75167827-Zfsl-hagen-ausbildungsplan-philosophie-praktische-philosophie-fachleiter-klaudius-gansczyk-stand.html 

Ichbinsophiescholl (2020): https://www.swr.de/unternehmen/ich-bin-sophie-scholl-instagram-serie-102.html

OEDC (2021): Lernkompass 2030. OECD Projekt Future of Education and Skills 2030. Rahmenkonzept des Lernens, nach:  https://www.oecd.org/education/2030-project/contact/OECD_Lernkompass_2030.pdf

Mandy Schütz (2016): Digitale Medien, in: Pfister, Zimmermann (Hg.): Neues Handbuch des Philosophieunterrichts, Bern, S. 353 ff.

UN (2015 ff.): Die 17 Entwicklungsziele, z.B. https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development-goals/