· 

Das postmoderne Subjekt

Vor 20 Jahren fragte ich, was zu berücksichtigen sei, wenn man Schülerinnen und Schüler medienkompetent aus der Schule entlassen will? (Es folgen einige Blogbeiträge aus meiner nicht veröffentlichen 2. Staatsarbeit von 1998):

 

Der folgende Text bezieht sich auf die folgenden, damals für relevant gehaltenen Publikationen:

Bühl (1996) Cybersociety;

 

Jameson (1986): Postmoderne - zur Logik der Kultur im Spätkapitalismus;

Schulz-Zander (1997): Lernen in der Informationsgesellschaft;

 

Das postmoderne Subjekt

 

Die Arbeit von Jameson ermöglichte endlich die 'Postmoderne' nicht als Stilrichtung, sondern als kulturelle Dominante zu begreifen. Auf Basis dieser Analyse kann er konstitutive Merkmale der Postmoderne benennen. Die hier relevanten betreffen eine neue Oberflächlichkeit bei gleichzeitigem Verlust der analytischen Tiefendimension. Eine Gesellschaft und eine Kultur, die sich nur noch mit Kopien von Kopien um sich selbst herum im Kreise dreht, verliere ihre Historizität. Die ganze Kultur begebe sich schließlich in eine fundamentale Abhängigkeit von einer neuen Technologie (Jameson). Die hier bedeutsame Entwicklung betrifft das Subjekt: das entfremdete wird durch das fragmentierte Subjekt abgelöst; der browsende Internet-Surfer kann so als der schillernste Ausdruck des fragmentierten Subjekts verstanden werden.

Jameson entscheidet sich in seinen Untersuchungen des Vergesellschaftungsmodus für den Begriff des 'multinationalen Kapitalismus' und nennt dafür - von der Beobachtung der kulturellen Entwicklung ausgehend - als herausragenden Beleg, dass die Global Players, also die transnationalen Konzerne, die ästhetische Produktion der Kultur durch Mäzenatentum, durch Stiftungen, Stipendien und Museen zu einem integralen Bestandteil der allgemeinen Warenproduktion umfunktioniert haben. Als allgemeine Warenproduktion ist diese postmoderne Dominanzkultur nun in alle Lebensbereiche eingedrungen. Für die hier agierenden Subjekte stelle sich schließlich die Frage der Differenzierungsfähigkeit; diese sei in einem nichtdialektischen Sinne praktisch und theoretisch unmöglich; Distanz könne nicht mehr hergestellt werden, da die postmodernen Körper räumlicher Koordinaten beraubt seien (Jameson zeigt dies anhand der Architektur und ihrer neuen 'Hyperräume'). In einem multinationalen Kapitalismus wirkt die Kultur als Kultur der Bilderproduktion wie eine fragmentierende Kraft total; die hegemonialen Metaphern unterstützen dabei die Ent-Räumlichung.

Dennoch kann das fragmentierte Subjekt Medienkompetenz entwickeln, lautet meine These, wenn es diese dialektische Struktur wahrnimmt: Distanz als Distanz in der Verstrickung in die Verhältnisse; das freie unabhängige Subjekt produziert - nur dem eigenen freien Willen folgend - schließlich das zwingende Ganze, das ihm gegenübertritt und ihn unterwirft.

Der hier zu entwickelnde zweite Aspekt von Medienkompetenz ist der der dialektischen Distanz: kritische Medienkunde, die den aktiven Medienanbieter fördert, fördert zugleich den neuen Produzenten der allumfassend gewordenen Kulturproduktion und dies gilt für das Internet und die Schüler-Generation von heute umso mehr, da die Schwelle zum eigenen Senden von Informationen, zum Beispiel über die private Homepage, massiv gesenkt wurde. Dialektische Distanz heißt dabei auch, dass originäre Erfahrungen jenseits der Bildschirme anzustreben sind, damit Bilder noch mit originären Erlebnissen verglichen und bewertet werden können.

 

(Und 2028/2019? Sascha Lobo: "Die führenden Figuren sozialer Medien haben sich über Jahre vor allem um die Optimierung des Geschäftsmodells gekümmert. Ungünstige Wirkungen und Nebenwirkungen wurden entweder als kosmetische Probleme betrachtet oder verschwiegen, ignoriert, schöngelogen. Und zwar auch dann noch, als öffentlich längst Fehler eingestanden wurden, Besserung gelobt wurde. Immer wieder werden Beweise für die Skrupellosigkeit der Geschäftsführungen von Facebook über Twitter bis Snapchat bekannt. Von den russischen und chinesischen Social Networks ganz zu schweigen, die ohnehin als Handlanger ihrer jeweiligen autoritären Staatsführungen betrachtet werden müssen. Der Kapitalismus hat zwar traditionell kaum Probleme mit Arschlöchern - aber wenn deren Handeln den Börsenwert schmälert, dann erhöht sich der Druck massiv. Leider folgt diesem ökonomischen Druck nicht automatisch eine gesellschaftlich sinnvolle Lösung der Probleme, weshalb die Politik gefragt ist).

 

Man möchte hinzufügen: Und die Politik würde dies am liebsten den Schulen überlassen: Lehrerinnen  und Lehrer sollen ganz einfach Schülerinnen und Schüler als starke selbstregulierte Subjekte (aus)bilden, die von sich aus den "Arschlöchern" (Lobo) nicht mehr hinterher laufen.